Die in Wien und Istanbul arbeitende Künstlerin ist unangepasst, selbstbewusst und kosmopolitisch. Sie entwirft subtile Gegenbilder zu stereotypen Rollenklischees und hinterfragt Geschlechterverhältnisse Welchen Weg im Leben man einschlägt, diese Entscheidung treffen oft andere – oder auch die Umstände – für uns. Nicht so in Nilbar Güreş' Video Identity von 2013: Da liegt ein Körper auf der Kreuzung einer staubigen, unbefestigten Straße, zugedeckt mit zwei unterschiedlich gemusterten Stoffen, die unterschiedliche Traditionen, unterschiedliche Geschichten spiegeln. Dann steht die Person – eine Frau – auf, streift beide Stoffe ab, wird sichtbar und geht ihren Weg – ihren eigenen. Schauplatz des Videos ist eine Straße nahe einem Dorf in Anatolien mit kurdisch-alevitischer Bevölkerung, es ist der Heimatort von Nilbar Güreş' Vater. 'Er kam nach Istanbul, um zu überleben, so wie viele andere Kurden', sagt Güres. Dort lernten sich auch ihre Eltern kennen, die gegen den Willen der Familien heirateten, weil sie unterschiedlichen Konfessionen angehörten. Bis heute sind die Aleviten in der Türkei nicht offiziell als Minderheit anerkannt, legen den Koran nicht wörtlich aus, sondern suchen die Bedeutung hinter den Offenbarungen – und vor allem beten sie nicht in Moscheen, was einen Machtkampf mit der offiziellen Türkei provoziert: Weil die Aleviten in ihren Gemeinden keine Moscheen dulden, verwehrt man ihnen auch den Ausbau der Straßen. Individuen, die sich nicht zwischen zwei vorgegebenen Wegen entscheiden wollen, sondern ihre eigene Richtung einschlagen – so wie sie selbst – tauchen in Nilbar Güreş' Werk immer wieder auf. So eine freiheitsliebende Figur ist auch ihre Kaktee ( Escaping Cactus, 2014), eine stachelige Heldin, deren skulpturale Gestalt und deren Dornenkleid dank textilen Materials weich geraten ist. Die zähe Pflanze, die in freier Natur zu mächtiger Größe heranwächst, sprengt ihr Blumentopfgefängnis, emanzipiert sich im Laufschritt.
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May 2019
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